Stefan Toth
05.12.2020
Türchen #5 im arcvent(s)kalender 2020
Der Advent verläuft in Österreich und Deutschland weitgehend ähnlich. Am Anfang steht die Überraschung, dass es schon wieder so spät im Jahr ist, Lichter und Weihnachtsgebäck stehen hoch im Kurs und das Herzstück ist warmer Alkohol den man aus meist kitschiger Keramik schlürft. Gegen Ende durchläuft man alle 5 Phasen der Trauer wenn es um die letzten Weihnachtsgeschenke geht.
Bei all dieser Ähnlichkeit übersieht man doch so manchen Unterschied. Als Firma mit Sitzen in Hamburg und Wien sind uns jedoch viele geläufig. Neben der üblichen Sprachbarriere (Glühweinbecher sind „Häferl“) gibt es vor allem personelle Unterschiede in der Weihnachtszeit. Der Weihnachtsmann ist in Deutschland weit verbreitet, in Österreich ist er als „Erfindung von Coca Cola“ stigmatisiert und eher geduldet als geliebt. Zu Weihnachten kommt das Christkind. Punkt. Doch noch im ersten Drittel des Advents kommt die oftmals größere Überraschung: Einen Tag vor dem Nikolaus, kommt der Krampus. Dieser Geselle hat meinen Kollegen, Stefan Zörner schon 1999 fasziniert und das hält bis heute an. Heute ist der 5. Dezember und damit der Tag des Krampus. Lasst uns kurz ausholen und dann feiern.
Ein noch junger (oder sagen wir… jüngerer) Stefan Z. geht zur Vorweihnachtszeit zum Julius Meinl und entdeckt „Schoko-Teufel“, die Hand in Hand mit „Schoko-Bischöfen“ und „Weihnachtsmännern“ gehen. (Anmerkung der Redaktion: Das zweite Geschöpf ist der „Nikolo“, angelehnt an den Hl. Nicolaus und in Deutschland auch noch an manchen Orten bekannt). Satan als Antagonist zu Nikolaus? Stefan Z. ist interessiert und bereit seinem Kopf einen weiteren Klumpen unnützes Wissen einzuverleiben… Tatsächlich gibt es zum Krampus mehrere Geschichten. Während er in den Österreichischen Bundesländern von Haus zu Haus zieht, Kindern Prügelstrafen androht (und teilweise ausführt), in noch teuflischerer Gestalt als Pärchte mit Glocken ums Feuer tanzt und vor allem bei der jungen Generation für Schrecken sorgt, kennen Wiener den Krampus nur als kettenrasselnden aber harmlosen Sidekick vom Nikolo. Der pelzige Genosse mit der langen Zunge sorgt im Kindergarten z.B. kurz für Adrenalin und Lachen bevor der Nikolaus seine Süßigkeiten verteilt. Eltern sagen man soll brav sein, sonst bekommt man statt Zuwendung vom Nikolo, Zuwendung vom gefährlichen Krampus. In Wien war diese „Zuwendung“ vom Krampus früher vielleicht ein Säckchen Kohle, oder Dörrpflaumen (aka. „Zwetschkenkrampus“) und damit wenig furchteinflößend, heute gibt es auch Süßes, nur mit anderem Motiv vorne drauf. Auch wenn der Krampus am Land mit Krampusläufen bei denen viele verkleidete, unverheiratete Männer mit langen Ruten versuchen Passanten zu erwischen etwas schreckenseinflößender ist: Als Wiener Kind hab ich den Krampus immer etwas cooler gefunden als den Nikolo. Er war rotziger, frecher und weniger angepasst. In der Schule wollte man auch keinen Einser in Betragen haben – da passt der Krampus gut ins Bild. Der ist eben nicht für die Streber da.
Etwas fundierter betrachtet ist der Krampus nicht rein Österreichisch. In Bayern, Liechtenstein, dem nördlichen Italien, in Ungarn, Kroation, Slowenien… Überall kennt man den pelzigen Teufel und Begleiter vom Nikolaus. Der Name Krampus kommt aus dem mittelhochdeutschen „Krampen“, was etwas Lebloses, Vertrocknetes, Verblühtes oder Verdorrtes beschreibt. Wahrscheinlich kommen daher auch die Dörrpflaumen im Krampussäckchen. Im Wienerischen bezeichnet man hässliche Menschen übrigens auch als „Krampn“ – das führt uns jetzt aber zu weit. Wiener Schimpfwörter sind nicht enden wollend in ihrer Beschreibung…
2015 wurde der Krampus sogar zum Film, das hat allerdings wenig mit der Gestalt zu tun die am 5. Dezember in Österreich aktiv ist. Schon relevanter ist, den Unterschied zwischen Krampus und Percht erklären können. Den muss ein echter Krampus-Fan natürlich kennen: meinbezirk.at erklärts
Was hat das alles mit Software oder Architektur zu tun? Wahrscheinlich wenig. Mit Agilität? Da könnte man was konstruieren. Aber warum sollten wir? Es hat etwas mit embarc zu tun weil hier immer wieder Kulturunterschiede aufeinander treffen, die man so nicht vermutet hätte. Natürlich ist der Krampus eigentlich schrecklich und verwerflich, Kinderbestrafung ist aus dem 16. Jahrhundert und überhaupt ist der Brauch überholt. Auf der anderen Seite hat man als Kind der kommerzialisierten Variante davon wenig Probleme mit dem Krampus. Im Gegenteil. Ich mag ihn. Ein Tag mehr an dem es institutionell um Schokolade und Süßigkeiten geht… In diesem Sinne: Lasst uns feiern!