Stefan Zörner
06.07.2018
Micro Moves, Bauteil 6. Integration der Open Source Schach-Engine Stockfish via Messaging.
In der vorherigen Folge der Micro-Moves-Serie haben wir einen Service für die Spielregeln im Schach synchron an einen anderen Service angeflanscht. Mit diesem Bauteil zeigen wir nun asynchrone Kommunikation. Konkret ermöglichen wir es Benutzern unserer Online-Schachplattform FLEXess sich mit einem der ganz Großen im Computer-Schach zu messen.
Im Bild sieht es aus, als gäbe es dieses Mal gleich zwei Bauteile. Was die Anzahl Prozesse angeht stimmt das auch. Wir integrieren einen Computer-Spieler (Stockfish) und binden ihn via Messaging asynchron an das games-Modul an. Inhaltlich passiert am Ende aber nur eins: Unsere Benutzer können gegen den Ranglisten-Ersten (CCRL 40/40, Stand Juli 2018) im Computer-Schach antreten. Oder auch der Computer gegen sich selbst, wenn wir einfach nur zugucken wollen.
Ein Jahrhundertraum wie das Fliegen. Eine Machine bauen, die Menschen im Schach bezwingt. Seit Wolfgang von Kempelens berühmten Schachtürken um 1780 haben sich Menschen daran versucht. Das Problem können wir als gelöst ansehen. Claude Shannon hat 1949 mit seinem Aufsatz “Programming a Computer for Playing Chess” die theoretische Grundlage gelegt. 1996 verlor das erste Mal ein amtierender Schachweltmeister – stellvertretend für die gesamte Menschheit sozusagen – unter Wettkampfbedingungen gegen eine Machine (Deep Blue). Mit dem aktuellen Megatrend Machine Learning hatte das Ganze übrigens nichts zu tun. Deep Blue lernte nicht. Es rechnete einfach brutal schnell.
Erste Schach-Computer für den privaten Gebrauch erschienen bereits 1977 und kosteten noch eine Stange Geld. Der Fortschritt in der Hardware lässt uns heute bequem auf unserem Smartphones gegen eine App verlieren. Der eigentliche (Rechen-)Kern von Schach-Programmen wird dabei als “Engine” bezeichnet. Engines lassen sich typischerweise in verschiedene Schachoberflächen integrieren. Damit dies einfach möglich ist, und auch damit Engines leicht gegeneinander antreten können, haben sich textbasierte Kommunikationsprotokolle etabliert. Das verbreitetste heute ist UCI (kurz für Universal Chess Interface, Spezifikation siehe hier).
Um auch Nutzern von FLEXess die Möglichkeit zu geben, gegen einen ernstzunehmenden Computergegner anzutreten, binden wir in dieser Folge Stockfish an. Das ist eine besonders spielstarke Chess Engine, in C++ implementiert und Open Source. Stockfish ist auf allen Ranglisten vorne dabei (Spitzenreiter zum Beispiel in der CCRL 40/40, Computer Chess Rating Lists, Stand Juli 2018). Das Programm unterstützt das UCI-Protokoll und lässt sich dadurch einfach integrieren.
Wenn Ihr Stockfish für Eurer Notebook herunterladet findet Ihr auf der entsprechenden Seite auch ein einfaches UI, mit dem sich die Engine interaktiv passabel bedienen lässt. Uns interessiert allerdings die Kommandozeile. Startet Ihr die Stockfish Engine in einem Terminal könnt Ihr Befehle eingeben und die Denkarbeit des Programmes beobachten, inkl. des “besten Zuges” nach Ende einer Analyse. Die folgende Abbildung zeigt in einem Terminal, dass Stockfish ein Schäfermatt auch auf der Kommandozeile souverän nach Hause spielt.
Die von mir eingegebenen Befehle waren isready, position, go und quit. Mit position wird die aktuelle Spielsituation gesetzt. Die Eingabe ist in FEN möglich (mit position fen …, Details zu dieser Notation findet Ihr in der zugehörigen Randnotiz). Oder wie oben im Bild durch Angabe der bisherigen Züge ausgehend vom Start (mit position startpos moves e2e4 e7e5 d1h5 …). Die verwendete Züge ermöglichen weiß am Zug ein sogenanntes Schäfermatt. Die schicke Abbildung unten zeigt das Brett nach diesen 6 (Halb-)zügen. Es ist übrigens mit dem chess-diagrams-Modul als Folge 2 dieser Serie generiert.
Der UCI-Befehl go lässt Stockfish losrechen. Mit dem depth-Parameter habe ich die Suchtiefe beschränkt, damit die Ausgaben nicht das Terminal zutexten und wir die vorherigen Eingaben noch im Screenshot sehen. Mit bestmove gibt Stockfish seinen Zug aus. Dame auf h5 schlägt auf f7 und setzt Matt. Besser geht es nicht.
Mit quit können wir die Session beenden. Wir wollen Stockfish nicht weiter unterfordern.
Bei der Integration der Schach Engine habe ich mich für Python entschieden, um ein bisschen Gluecode zu schreiben. Ihr findet diesen im Modul computer-player auf GitHub. Die betreffende Datei heißt stockfish.py und umfasst ca. zwei Dutzend Zeilen Quelltext. Die Python-Funktion calculate_move startet Stockfish als Subprozess. Via stdin gibt sie die Befehle (position, go …) an die Engine und holt sich das Ergebnis über dessen stdout ab.
Das Ganze funktioniert nur, wenn stockfish installiert ist. Ein kleiner Integrations-Test mit tox überprüft die Anbindung der Engine, indem er Stockfish u.a. genau das Schäfermatt serviert. Unser Image für Docker basiert auf Ubuntu. Das Dockerfile installiert Stockfish mit apt-get. Damit das Programm aktiv wird, wenn wir ihm Züge vorlegen, verbinden wir es via Messaging.
Messaging ist eine etablierte Technologie, um Programme miteinander sprechen zu lassen, die dies von Natur aus nicht können. Entsprechende Middleware schaut auf eine lange Geschichte zurück. WebSphere MQ von IBM etwa erblickte als MQSeries bereits Anfang der 90er das Licht der Welt. Der spätere SOA-Hype befeuerte den Einsatz derartiger EAI-Lösungen. Neben kommerziellen Produkten von Firmen wie Oracle oder TIBCO gibt es auch Open Source-Lösungen, etwa Apache ActiveMQ.
Messaging-Lösungen kennzeichnen sich durch lose Kopplung aus. Die Kommunikationspartner können in sehr verschiedenen Technologien implementiert sein und auf unterschiedlichsten Plattformen laufen. Der Nachrichtenaustausch erfolgt asynchron und oftmals indirekt. Die Partnerprogramme brauchen sich weder kennen, noch gleichzeitig laufen. Das macht Messaging Lösungen für zeitgenössische Architekturstile wie Microservices, die lose Kopplung anstreben, sehr interessant.
Auch wenn die Konzepte die alten sind sehen wir vermehrt neuere, leichtgewichtige Messaging-Löungen auf dem Vormarsch. Ganz vorne dabei ist RabbitMQ. Die in Erlang entwickelte Open Source-Lösung implementiert eine Reihe von Standards, darunter AMQP (Advanced Message Queuing Protocol).
Für unsere Anbindung haben wir ein vorgefertigtes Docker-Image von RabbitMQ genutzt, und in der Konfigurationsdatei für docker-compose als Service vereinbart. Die gewählte Image-Variante beinhaltet die webbasierte Management-Konsole. Dadurch lässt sich RabbitMQ mit seinen Verbinden, Nachrichtenaustauschen und Queues prima von außen beobachten. Die folgende Abbildung zeigt bereits unser FLEXess in Aktion. Also beim Senden und Empfangen von Schachstellungen und Spielzügen als Nachrichten.
Für die Anbindung zwischen games und computer-player (siehe auch Überblicksbild oben) nutzen wir zwei sogenannte “Direct Exchanges” in RabbitMQ. Die Middleware bietet verschiedene Austauschmuster an – das direkte ist das einfachste. Die folgende Abbildung zeigt das Zusammenspiel:
Zwei Queues nehmen Nachrichten im JSON-Format auf. Im Fall eines Zuges, den Stockfish ausführen soll, legt games zunächst eine Nachricht mit der Spielsituation (Schachstellung in FEN) in der Message-Queue positions ab. Ein Computer-Spieler “lauscht” auf dieser Queue (Implementierung der Funktionen in Python in der Datei stockfish_listener.py). Tatsächlich könnte es mehrere_ computer-player_-Container geben. Im Falle einer Nachricht liest _computer-player_ die Position aus und nutzt die UCI-Integration wie oben beschrieben zur Ermittlung des besten Zuges aus Stockfishs Sicht. Dieser Zug geht über die Queue _moves_ an _games_ zurück. Über die Game-ID, die jede Nachricht als ein Attribut enthält, kann das _games_-Modul den Zug dem Spiel zuordnen und ausführen.
Die Aussteuerung von Spielsituationen in die Warteschlange positions erfolgt in games über den Spielernamen “stockfish”. So kann ein Spieler gegen den Computer spielen, indem er einfach eine Partie gegen “stockfish” startet. Die folgende Abbildung zeigt mich (weiß) im Spiel gegen den Computer-Gegner. Im Moment sieht es noch ausgeglichen aus.
Übrigens lassen sich über das UI des games-Subsyststems auch Partien starten, in denen Stockfish gegen sich selbst spielt. Einfach für beide Spielernamen “stockfish” im Formular unter “Create a new game” eintragen. Dann geht das los. Wählt Ihr “Play Game!” könnt Ihr die “beiden” Kontrahenten beobachten. Die folgende animierte Abbildung zeigt den Ausschnitt einer solchen Partie in Endlosschleife.
RabbitMQ stellt exzellente Tutorials für alle denkbaren Programmiersprachen und verschiedene Kommunikationsmuster bereit. Ich habe mich für Python daran orientiert. Für die Integration in das games-Modul mit Spring Boot ließ ich mich von einem entsprechenden Beitrag inspirieren: “Getting Started: Messaging with RabbitMQ”.
Die fundierte Quelle für Messaging in Buchform ist meiner Meinung nach immer noch der Klassiker “Enterprise Integration Patterns: Designing, Building, and Deploying Messaging Solutions” von Gregor Hohpe.
Die Entwicklung von Programmen, die Schach spielen können, geht weiter. Auch heute noch treten Schachprogramme im Wettbewerb gegeneinander an. Mittlerweile mischt die künstliche Intelligenz tatkräftig mit. 2017 schlug Google’s AI-Lösung AlphaZero das traditionelle Spitzenprogramm Stockfish. Es benötigte 4 Stunden, um Schach zu lernen. Und verlor im Anschluss von 100 Partien keine einzige (Bericht hier).
Wie geht es hier mit FLEXess weiter eigentlich? Die Benutzer brauchten sich bisher noch nicht an der Plattform anmelden. Eine Zeichenkette für den Spielernamen einzugeben, genügt. Und jeder kann bei jedem mitspielen. Zeit, dass wir uns diesem offensichtlichen Mangel widmen!
Ach ja: Fragen und Anregungen sind natürlich jederzeit gerne willkommen. Per Kommentar hier im Blog oder gerne auch per Mail direkt an mich …